V. Wie wird in der Praxis gezeichnet?

Im fünften und letzten Ausstellungsraum stehen die konkreten Arbeiten der Zeichner im Vordergrund. Anhand von vielen historischen Handzeichnung, Stichen und Gemälden soll dargestellt werden, inwiefern sich ihre Hände von den didaktischen Vorgaben der Zeichenbücher und des Zeichenunterrichts haben leiten lassen und welche weiteren Hilfsmittel sie zur Unterstützung heranzogen. In dieser Hinsicht bedeutsam ist beispielsweise ein mathematisches Modell aus der Sammlung der Universität Tübingen. Es handelt sich um einen so genannten Helicoid, d.h. um eine Schraubenfläche mit konstanter negativer Krümmung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Der Rotationskörper war Teil derjenigen Lehrmittel, die in Vorlesungen und Seminaren der Darstellenden Geometrie und Flächenlehre zur Veranschaulichung und zum zeichnerischen Studium ansonsten schwer vorstellbarer Formen eingesetzt wurden. Zudem werden in mehreren Vitrinen auch historische Zeicheninstrumente gezeigt, die technischen Zeichnern seit der Frühen Neuzeit zur Verfügung standen. Exemplarisch sei nur ein vergoldeter Proportionalzirkel aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts genannt, der auf den Uhrmacher und Mathematiker Jost Bürgi zurückgeht. Welche Folgen der Zeichenunterricht hatte und wie nicht nur die Künstler sondern auch die Laien gezeichnet haben, zeigt die andere Hälfte des Raumes mit zahlreichen Beispielen. Vorgestellt werden verschiedene Studienblätter und Skizzenalben. In einem davon ist die anonyme Zeichnerin, entsprechend der Anweisung zeitgenössischer Zeichenbücher, durch Großbritannien gereist. Vor Ort hat sie dann die Landschaft skizziert, jedoch teilweise auch nach Vorlagen gearbeitet.

Das letzte Glanzstück der Ausstellung bildet die Zeichnung von Giovanni Stradano, eine Leihgabe aus dem Kurpfälzischen Museum Heidelberg. Die für den Druck vorbereitete Zeichnung wurde letztendlich nicht in einen Kupferstich umgesetzt und blieb als seltenes Beispiel dieser Art erhalten. Darauf ist das Lehrprogramm der neugegründeten Akademie in Florenz zu sehen, das durch den Druck vervielfältigt und verbreitet werden sollte. Es lässt sich gut mit dem Lehrprogramm der ersten Zeichenbücher vergleichen, die einige Jahre nach Stradano in Italien publiziert wurden.
 

Vorschau der Exponate

V.1.1a Helicoid
Gipsabguss des Originals (nach 1884), das nach 1877 im mathematischen Institut der Technischen Hochschule München angefertigt wurde
Universität Tübingen, Fachbereich Mathematik, Inv.-Nr. A 24
mehr

V.1.1b Zeichnungen ‚Spirale’
Universität Tübingen, Fachbereich Mathematik, Inv.-Nr. A 333
mehr

V.1.2 Louis Léger Vallée
Traité De La Science Du Dessin, Paris: Courcier 1821
Privatsammlung
mehr

V.1.3 [Johann II. Pfalzgraf von Pfalz-Simmern]
Eyn schön nützlich büchlin und underweisung der kunst des Messens, Simmern: Hieronymus Rodler 1531
Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Ra 16 Due 1
mehr

V.1.4 Solly Fürstenberg
Anleitung zum Unterricht im Freihandzeichnen, Braunschweig: Vieweg 1854
Privatsammlung
mehr

V.2.1 Gaspard Monge
Géometrie descriptive, Paris: Courcier 1820
Universitätsbibliothek Heidelberg, 2014 C 2260 RES
mehr

V.2.2 Meno Burg
Die geometrische Zeichnenkunst oder vollständige Anweisung zum Linearzeichnen, Berlin: Duncker und Humblot 1845
Privatsammlung
mehr

V.2.3 Reliefperspektivische Plastik
Gipsabguss des Originals (nach 1884), das nach 1877 im mathematischen Institut der Technischen Hochschule München angefertigt wurde
Universität Tübingen, Fachbereich Mathematik, Inv.-Nr. A 63
mehr

V.2.4 Fritz Arensmeier
Mappe mit 24 Blättern, um 1900
Universität Tübingen, Fachbereich Mathematik, Inv.-Nr. A 382
mehr

V.3.1 Jan Josef Horemans d.Ä.
Gesellschaft mit Zeichnern vor einer Skulpturengruppe von Herkules und Antaios, 1720er/30er Jahre (?)
Öl auf Leinwand, Signiert „JJ [ligiert] Horemans“
Privatsammlung
mehr

V.3.2 Joseph Franz von Goez
Exércices d’imagination de differens charactères et formes humaines, Augsburg 1783-1784
Privatsammlung
mehr

V.4.1 Eine Zeichnerin mit Freundin, 1795/1810
Öl auf Leinwand
Privatsammlung
mehr

V.4.2 Zeichenbuch für Damen und alle diejenigen welche sich nach guten Mustern im Zeichnen üben wollen, Nürnberg: Frauenholz 1800
Privatsammlung
mehr

V.5.1 Jan van der Straet (Giovanni Stradano)
Programmatische Darstellung der Florentinischen Künstlerakademie, 1570–1578
Tusche, Bisterlavierung und Deckweiß auf grundiertem Papier
Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, Inv. Nr. Z 5425
mehr

V.5.2
Luca Bartelli (nach Jan van der Straet / Cornelis Cort)

Programmatische Darstellung der römischen Künstlerakademie, 1580
Kupferstich
Privatsammlung
mehr

V.5.3 Gaspare Colombina / Philipp Esengren
Discorso Sopra Il Modo Di Disegnare, Dipingere Et spiegare: secondo l‘vna, & l‘altr‘arte gli affetti principali si naturali, come accidentali nell‘Huomo, secondo i precetti della Fisonomia / Simmetria del Corpo Humano, Venetia: Temini [1650]
Universitätsbibliothek Mannheim, Mf i 684
mehr

V.6.1 Carl F.W. Boettger
Aktstudie eines stehenden männlichen Modells, 1787
Rötel auf hellem Papier, bez. „Verfertigt von Carl. F.W. Boettger im Maerz 1787“
Privatsammlung
mehr

V.6.2 Denis Diderot / Jean le Rond D’Alembert
Encyclopédie, Bd. 3, Paris: Briasson 1763
Privatsammlung
mehr

V.6.3 Johann Daniel Preißler
Die durch Theorie erfundene Practic, Bd. 3, Nürnberg: Preißler 1761
Universitätsbibliothek Heidelberg, T 2215 RES
mehr

V.7.1 F.C. Frisch
Christuskopf in Profil, 1787
Rötel auf Papier, „Und so ihr auch nur zu euren Brüdern freundlich thut, was thut ihr sonderlich – Evangl: S. Matth: cap. 5. v: 47“, Aufgeklebt „F.C. Frisch. Ber[lin] d[en] 24 April 1787“
Privatsammlung
mehr

V.7.2 Wilhelm von Hoven
Christuskopf im Profil, 1827
Bleistift auf Papier, sig. und dat. „gezeichnet von Wilhelm v. Hoven, 1827“
Privatsammlung
mehr

V.7.4 John Dougall
The Cabinet of the Arts, 2 Bände, London: Ackermann 1821
Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, BD 0/18 (1 R
mehr

V.8.1 [H.?] A. Bearcroft
Album mit Gedichten und Aquarellen, um 1826
Privatsammlung
mehr

V.8.2 Nathaniel Whittock
The Art Of Drawing And Colouring From Nature, Flowers, Fruit, And Shells, London: Hinton 1829
Privatsammlung
mehr

V.8.3 Frances Amler
Skizzenbuch mit Zeichnungen und Aquarellen, 1805 – 1809
Privatsammlung
mehr

V.8.4 David Cox
A series of progressive lessons intended to elucidate the art of painting, London: Ackermann 1823
Universitätsbibliothek Heidelberg, 94 D 815 RES
mehr

V.9.1 Hans Troschel
Reisbuchlein für die Anfangente Jugent sich darinnen Zu uiben, Nürnberg: Fürst [1650]
Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, HB 4023
mehr

V.9.2 Eugène Glorieux
Vorlagenbuch, erste Hälfte 19. Jahrhundert
Privatsammlung
mehr

 

V.9.3 (Norditalienischer?) Künstler
Sammelband mit Zeichnungen zur Perspektive, zu antiken Skulpturen und
zu Fresken Raffaels, spätes 18. Jahrhundert
Privatsammlung
mehr

V.9.4 Stammbuch, 1810-1851
Privatsammlung
mehr

V.10.1a Gérard de Lairesse
Les Principes Du Dessein, Amsterdam / Leipzig: Arkstée et Merkus 1746
Privatsammlung
mehr

V.10.1b Gliederpuppe
Privatsammlung
mehr

V.10.2a James Duffield Harding
Drawing Models, and their uses, London: Winsor and Newton 1854
Privatsammlung
mehr

V.10.2b Kleines Holzmodell
mehr

V.10.3 Otto Hasslinger / Emil Bender
Der Betrieb des Zeichenunterrichts, Leipzig / Berlin: Teubner 1907
Universitätsbibliothek Heidelberg, 2015 D 874 RES
mehr

V.11.1 Anselme Guy Gaston Crignon de Montigny
Album mit gezeichneten (Prüfungs-)Aufgaben der Pariser École Polytechnique, 1866 – 1867
Privatsammlung
mehr

V.11.2a Jacques Eugène Armengaud / Charles Armengaud / Jules Amouroux
Lehrbuch des industriellen Zeichnens, Zürich: Meyer & Zelle 1854
Privatsammlung
mehr

V.11.2b Jacques Eugène Armengaud
The engineer and machinist’s drawing-book, Glasgow: Blackie 1855
Privatsammlung
mehr

V.12.1 Adrien-Népomucène Dembour
Cours De Dessin Linéaire, Metz: Dembour et Gangel [um 1865]
Privatsammlung
mehr

V.12.2 Emilio Claudio Buonpensiere
Il Disegno Nei Suoi Principj Scientifici E Nella Sua Pratica Applicazione, Palermo:
Bizzarrilli 1894
Privatsammlung
mehr

V.13 Goldmannstäbe-Set
Leiden (?), um 1660
Messingstäbe in einem lederbezogenen Holzköcher
Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr. E 4091
mehr

V.14 Proportionalzirkel
Deutschland, 2. Hälfte 17. Jahrhundert
Messing und Eisen
Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr. WLM 1922-4
mehr

V.15 Instrumentenköfferchen
Deutschland, 18. Jahrhundert
Silber, Bein, Samt, Chagrin-Leder
Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr. E 1988
mehr

V.16 Joseph Furttenbach
Mechanische ReißLaden, Augsburg: Johann Schultes 1644
Privatsammlung
mehr

V. Wie wird in der Praxis gezeichnet?