II.15

Die ganze (Götter-)Welt in einem Relief
Die kleine Abhandlung des Girolamo Aleandro d.J. (1574-1649) ist ein Musterbeispiel einer frühen ikonographischen Analyse eines Kunstwerks. Darin deutet er ein rätselhaftes antikes Relief in der römischen Sammlung Mattei, auf dem eine strahlenbekränzte Jünglingsbüste mit zahlreichen Attributen dargestellt ist.

Mit dem Bild des Sonnengottes Apoll (dem Jüngling mit Strahlenkranz, Pfeil und Bogen und Leier) verbinden sich bei diesem Relief - so Aleandros Deutung - die Attribute und Eigenschaften auch von Herkules (die Keulen mit Löwenfell), Bacchus (der Kelch unter der Leier) und Merkur (die zwei Caducei), dazu kommen Anspielungen auf mehrere weibliche Gottheiten (Cybele, Ceres, Flora, die Musen). Diese tetradische Ordnung unter der Sonne wird dann mit den Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft sowie den vier Jahreszeiten in Verbindung gebracht. Das Relief erscheint so als Sinnbild der gesamten Weltordnung und eines Großteiles des antiken Pantheon.
 

II.15 Girolamo Aleandro: Antiquae tabulae marmoreae Solis effigie symbolisque exculptae accurata explicatio, Rom: Sébastien Cramoisy, 1617
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II. Antiquarisch-historische Forschung